zurueck Um auf meine "Person" zurückzukommen. Sie ist nicht von ihren Verhältnissen zu trennen. Nicht von jenen, in denen sie verbürgt ist: in denen, wie Hegel schreibt, die "Freiheit der Person", die mit dem Christentum zu erblühen angefangen hat, als "Freiheit des Eigentums", d.h. als Anspruch auf Privateigentum gesetzlich anerkannt ist (Grundlinien der Philosophie des Rechts. Ffm. 1996, S. 133). Und auch nicht von jenen, die sie "im Kreise der Liebe und des Zutrauens bei den Eltern" erlebte, um "groß zu werden", d.h. erwachsen, d.h. sich in den Zustand einer Person hineinzufinden und diesen Zustand als ihre "eigenste Subjektivität" zu empfinden (ebd. S. 329). Von Sympathie bestimmte Verhältnisse also, in denen die Sympathie aber nur Mittel zum Zweck war: "daß die Kinder zur freien Persönlichkeit erzogen, in der Volljährigkeit anerkannt werden, als rechtliche Personen und fähig zu sein, teils eigenes freies Eigentum zu haben, teils eigene Familien zu stiften - die Söhne als Häupter und die Töchter als Frauen -, eine Familie, in welcher sie nunmehr ihre substantielle Bestimmung haben, gegen die ihre erste Familie nur erster Grund und Ausgangspunkt zurücktritt und noch mehr das Abstraktum des Stammes kein Recht hat" (ebd. S.330). Ich darf für meine "Person" sagen, daß sie die Liebe ihrer Eltern zu ihr nicht enttäuscht hat - und sowohl "eigenes freies Eigentum" erwarb, wie auch eine eigene Familie stiftete, womit das "Abstraktum des Stammes" sein Recht verlor. Was die Eltern, wenn nicht enttäuschte, doch auch schmerzte. Um so mehr, wie ich die in der Familie nur als Mittel zum Erwerb des Personal-Ausweises gedachten alliierten Beziehungen außerhalb der Familie suchte - und in der Form dieser und jener Bande fand: in der Clique auf der Straße, der Pfadfindergruppe am Ort, der Klassengemeinschaft in der Schule, unter den Studierenden und Kollegen am Fachbereich Sozialwesen an der Fachhochschule Bielefeld: in Gemeinschaften, deren Bandenwesen mich in der Regel nur interessierte, wie es nicht im Gefühl stecken blieb, sondern sich als ein Gefühl herausstellte, daß übers Gefühl hinausging - und die in der "ersten Familie" aufgegebene Allianz zu ihrem Recht kommen ließ, in der dann auch die "eigenen Familie" aufgehoben war. Aufgehoben nicht im "Abstraktum des Stammes", sondern im Konkretum praktischer Vereinbarungen: in einer Wohngemeinschaft, die sich durchaus nicht den Eigenheiten der eigenen Familie und deren besonderen Intimcharakter widersetzte, wohl aber ihrem Personenkult - und dem verbürgten Recht, das Eigene, den eigenen Partner, die eigenen Kinder, die eigenen Eltern, die eigensinnig genutzen Dinge als Privateigentum zu nutzen, von dem Marx sagt, daß es "uns so dumm und einseitig gemacht (habe), daß ein Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, also als Kapital für uns existiert oder von uns unmittelbar besessen, gegessen, getrunken, an unsrem Leib getragen, von uns bewohnt etc., kurz, gebraucht wird" (EB. S.540). Im "Unrecht gegen die Person", wie Hegel zu monieren hätte (§ 46), das, wie er weiter ausführt, in der "Vorstellung von einer ... Verbrüderung der Menschen mit Gemeinschaft der Güter und der Verbannung des privateigentümlichen Prinzips" liegt, welche sich zwar "der Gesinnung leicht darbieten" kann, "die Natur der Freiheit des Geistes und des Rechts" aber verkennt (ebd.) - im "Unrecht gegen die Person" und in der Verkennung der Natur des privateigentümlichen Prinzips, doch nicht in Unkenntnis darüber, daß unter den herrschenden Eigentumsverhältnissen auch die Person als Subjekt des Marktes zu ihrem Recht kommen muß, gab ich der leicht sich darbietenden Gesinnung recht und nutzte und nutze meine privaten Erwerbungen im Verein mit anderen Personen, die es auch nicht anders wollten, so weit wie möglich nicht privat. Was nicht heißt, daß sie brüderlich oder freundschaftlich oder gemeinschaftlich oder in sonst einer frommen Weise genutzt werden. Man könnte sagen, sie würden lasterhaft genutzt, wenn denn der Müßiggang ein Laster ist, dem keine Zeit zu lassen ist. Mit Benjamin ließe sich die Nutzung als eine festliche kennzeichnen, für die bezeichnend ist, daß sie "gereinigt von aller Feier" ist, abgesprochen in einer Sprache, die "von allen Menschen verstanden wird", so auch von den Kindern (I.3, S.1238). Wenn das Wort nicht falsch verstanden wird, kann sie auch "individuell" genannt werden: individuell im Unterschied zu privat. Wenn die private Nutzung dem Individuum nur von Nutzen ist, wie sie dem privaten Kapital zum Wohl gereicht, findet die individuelle Nutzung ihren Nutzen für das Individuum im Nutzen der Anderen, die sie ihnen verschafft. Statt also den von mehreren Personen erworbenen Besitz nur im persönlichen und daher fremden, nämlich im Interesse des Kapitals zu nutzen, nutzen wir es, wenn möglich, im eigenen Interesse, das individueller Natur ist, daher nicht feststeht - und auch mit besten Kontakten zum global fließenden Strom der Informationen nicht festzustellen ist. Es ist nicht feststellbar, doch bemerkbar: in unkontrollierten Äußerungen, spontanen Ausbrüchen, unwillkürlich zum Vorschein kommenden Erinnerungen, unbeabsichtigten Tanzbewegungen, versehentlichen Handbewegungen, mit denen jeder und jede als ein "Wesen von einzigartiger Verschiedenheit" (Hannah Arendt) das Leidwesen der Gemeinschaft zum Ausdruck bringt und mit diesem eigensinnigen Ausdruck des Leidens eine Gemeinschaft in Aussicht nimmt, die anders ist. Die Bemerkung ist nicht dem Zufall überlassen. Äußerungen ohne Kontrolle, die in den besten Familien vorkommen, dort aber die Ausnahme sein sollen, in dieser Form dann zumeist erschreckend gewalttätig ablaufen, werden aufmerksam gesucht - und regelmäßig gefunden: in der Form eines Festes, auf dem die Gemeinschaft nicht als geschlossene gefeiert wird, sondern für Unbekanntes sich aufschließt; als ein Lustzustand, der als Rausch zu begreifen ist, in dem wir, wie es bei Benjamin heißt, "allein des Allernächsten und des Allerfernsten, und nie des einen ohne des andern, uns versichern". Womit nicht gesagt ist, daß der zur Regel erhobene Ausnahmezustand ein Dauerzustand ist. Kommen in ihm Unbekanntes und Unbekannte mit Bekannten und Bekanntem auch so miteinander ins Spiel, daß sie eine andere als die bekannte Gemeinschaft erspielen, so ist klar, daß diese doch nur gespielt ist - und keine ist, die sich dieses leichtsinnig erspielte "Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten" (Arendt) auch leisten kann. Damit wir uns auch leisten können, die festlich aufgespürte "reale Möglichkeit qualitativ neuer Prozesse" (zur Lippe) nicht im Möglichen stecken bleibt, arbeiten wir auch für ihre Verwirklichung. Notwendigerweise nicht nur unter uns und für uns, sondern hauptsächlich außer Haus und in persönlicher Weise, um das Geld zu verdienen, mit dem sich der Naturstoff in einer für unser Leben brauchbaren Form kaufen läßt. Freiwilligerweise aber auch unter uns, um die spielerisch vereinbarten Erfahrungen und Erwartungen zu vergegenständlichen und sie nicht verrauschen zu lassen. Dabei gilt, was auch für die außerhäusliche Arbeit gilt: Arbeit ist Arbeit - und kein Spiel. Am Ende des Arbeitsprozesses muß ein Resultat herauskommen, das auch "besessen, gegessen, getrunken, an unserem Leib getragen, von uns bewohnt etc., kurz gebraucht" werden kann (EB. S.540). Es gilt aber auch, was es bei der Arbeit im "Arbeitssektor" auszuschließen gilt: daß unsere Arbeit sich auf das Spiel der "eignen körperlichen und geistigen Kräfte" stützt (Kapital I, S.193). Ihr Resultat ist von daher nicht, was es zu sein hat, wenn die lebendige Arbeit ein auszuschließender Kostenfaktor ist. Es ist kein Produkt, das beim Beginn des Arbeitsprozesses "schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war" (ebd.). Das Resultat ist ein Produkt, das sich uns zu Beginn der Produktion als etwas Unfertiges und für uns Ungeeignetes darstellt. Und sich so auch am Ende des Prozesses darstellt: das fertige Essen als eine Mahlzeit, die einladender sein könnte, das renovierte Haus als ein Haus, das für Gäste zu wenig Raum hat, der Garten als einer, der nicht spanisch genug ist, die Ställe als leer, wenn in ihnen keine Kühe, keine Schweine, keine Schafe stehen. Wie am Anfang, so stellt sich auch am Ende des Arbeitsprozesses das Arbeitsprodukt als ein Produkt heraus, das nicht stimmt, auch wenn fachlich an ihm nichts auszusetzen ist. Es stimmt nicht mit der realen Möglichkeit überein, die im Ausnahmezustand geregelt ist. Dafür sorgt schon der Fachmann mit der üblen Gewohnheit, sich als Experte zu profilieren, der am Anfang schon weiß, was am Ende herauskommt, und der in diesem Bestreben sich realitätsfern über das "Spiel seiner eignen körperlichen und geistigen Kräfte" hinwegsetzt. Von dieser "menschlichen Schwäche" abgesehen, stimmt die fertige Sache aber auch grundsätzlich nicht mit der Ausgangsstimmung überein. Und zwar deswegen nicht, weil Arbeit, auch wenn sie von den spielerisch gesammelten und vereinbarten Erfahrungen lebt, kein Spiel ist und nicht Spiel werden kann. Spiel kennt kein Ende. Arbeit aber muß zu einem Ende kommen, mit dem immer auch ein Leben endet, das besser noch nicht zu Ende wäre. Sie muß ein Resultat haben, das Disziplin fordert, die erst einmal Schluß mit dem Spiel macht, ohne den das Spiel nur allzu rasch und für immer ein Ende finden würde. Mit einem Wort: Die Arbeit, die notwendig ist, damit die Erfindungen des Spiels den Grund und Boden finden, mit und auf dem das Spiel produktiv weitergehen kann, ist nicht ohne Gewalt zu erledigen. "Es ist eine Dummheit, das Universum durch die rosarote Brille zu betrachten", wie Whitehead sagt - und hinzufügt: "Wir müssen den Kampf zulassen. Die Frage lautet, wer ausgeschaltet werden soll. Sofern wir Pädagogen sind, müssen wir in diesem Punkt klare Vorstellungen haben; denn daraus ergibt sich der zu schaffende Typ und die praktische Ethik, die eingeschärft werden soll" (aaO. S.238) Wenn es eine Dummheit ist, die Augen davor zu verschließen, daß "das Leben des Geistes", wie Hegel sagt, "nicht das Leben (ist), das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält" (s.o.) wenn wir uns also vernünftigerweise damit abfinden müssen, daß Arbeit kein Spiel, ihr Resultat dem Leben stets mit Gewalt abgerungen ist, so ist es doch keine geringere Dummheit, die nicht zu vermeiden gewesene Gewalt für prinzipiell unvermeidbar zu halten - und der Gipfel der Dummheit, "in diesem Punkt klare Vorstellungen" haben zu wollen, die uns veranlassen, die Organisation, in der wir arbeiten und noch leben, wie auch die, in der wir leben und auch noch arbeiten, die Wohngemeinschaft nicht anders als die Betriebsgemeinschaft, so zu bewerten, wie wir auch den Wald oder einen Gartenteich zu bewerten haben. Nämlich als ein Biotop, d.h. als einen Lebensraum wechselseitig voneinander abhängiger Spezies, die gut beraten sind, wenn sie ihre Gemeinschaft so wichtig nehmen wie die Fauna und Flora des Gartenteichs ihren Gartenteich - und sie nicht mit individuellen Fragen aus dem Gleichgewicht bringen. Doch genau so möchten wir den Verein verstanden wissen, in der wir sympathischer- und nicht ökologischerweise leben - und auch arbeiten: als eine Gemeinschaft, die nicht speziell, sondern individuell ist und dauerhaft unter Gleichgewichtsstörungen leidet, die kein Vergnügen sind, keinen Spaß machen, wohl aber die Lust bemühen, die deplatzierten Äußerungen, die immer wieder das Gleichgewicht stören, in einem neuen aufzuheben. So z.B. das muntere und aufmunternde Grunzen der Schweine, die ihr Futter erwarten und erwarten, daß wir es gut mit ihnen meinen, und nicht erwarten, daß wir sie zu Schweinefleisch verarbeiten, was einer ökonomischen Schweinemast schlecht bekommt. Und wenn wir ihrer Munterkeit wegen auch nicht darauf verzichten, die Schweine sachgemäß zu mästen und zu schlachten, so dürfen sie doch mit ihrer Munterkeit an ihrer Haltung mitwirken - und sich als schweinische Hausgenossen in Erfahrung bringen, die auch nach ihrem Tod in Erinnerung bleiben und für eine Schweinehaltung sprechen, die eher sympathisch als artgerecht zu nennen ist. Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen: die Handreichungen der Kinder, die sich nur allzu verspielt in die Arbeit der Erwachsenen einmischen - und ihre zügige Vollendung behindern. Werden sie ihre Vollendung auch nicht verhindern, so verhindern sie doch mit ihren Behinderungen, die ganz andere Dinge im Auge haben, die Unbesonnenheit eines mechanischen Arbeitseinsatzes - und reizen den Experten, sich mit mehr Sinn für das Mögliche an die Arbeit zu machen, sie eher poetisch als mechanisch oder gar poietisch zu vollenden: in einem "Akt geistiger Konzentration", so kennzeichnet George Thomson die poetische Arbeitsweise, der "rhythmisch und phantastisch zugleich ist" (Frühgeschichte Griechenlands und der Ägäis; Berlin 1960, S.391) weiter.... |