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Sympathie, ob zwischen zwei oder mehreren Menschen, ist nicht die Lösung! Sie ist aber geeignet, zum Glück Lösungen nahezulegen, auf die einer allein nicht kommt. Sie ist in der Lage, "Begegnungen herbeizuführen, die, wenn sie sich nur für einen einzelnen ereignen, unbeachtet bleiben und als bloße Begleitumstände verworfen werden" (ebd. S.40). Ist sie auch ein Gefühl, so doch ein gewolltes Gefühl. Ein verfolgtes, wenn auch kein geplantes Gefühl. Es verdankt sich einem Blick. Oder einem Ton. Oder sonst einer sinnlichen Wahrnehmung, die darauf sinnt, nicht leer auszugehen - und die Erwartung hegt, sich mit der oder dem zu treffen, den sie wahrnimmt, und ein Rendezvous zustandekommt, in dem sich die im Augenblick gelagerten Erwartungen klären. Das sind selbstverständlich keine festen Erwartungen, eher verschwommene Erwartungen, die darauf bestehen, dem augenblicklich aufkeimenden Gefühl der Sympathie die Treue zu halten, auch wenn die weiteren Blicke nicht immer nur Sympathisches erblicken: eine Treue, auf die Adorno anspielt, wenn er schreibt, daß "nur der liebt, wer die Kraft hat, an der Liebe festzuhalten", wer bei der einmal gefaßten Neigung ausharrt, auch wenn er das, was er für die "Stimme des Herzens" hält, nicht mehr zu vernehmen meint (Minima Moralia. Ffm. 1984, S.226f.).

Mit Sicherheit liegt im ersten und auch in dem folgenden Blick, wenn er nicht mit Gewalt um seinen Sinn gebracht wird, nicht die Erwartung, daß das Erblickte sich seinem Anblick erwartungslos fügt - und sich so ohne Not zum Objekt macht, das nur auf die Entscheidung wartet, ob es für diese oder jene vorgegebenen Zwecke brauchbar ist oder nicht. Der Blick, der nicht leer ausgehen will, kann nicht wollen, daß der des Anderen, auf den er fällt, leer ausgeht. Er muß den Austausch wollen: Verständigung; Erkenntnis; eine Beziehung, in der das im eigenen Blickfeld liegende Wissen sich mit dem Wissen austauscht, das im Blickfeld des Anderen liegt. Auch dann, wenn dieser Andere nur ein Baum ist oder ein Strauch, ein Hund oder eine Katze oder eine Kuh oder ein Schwein. Auch dann wohnt dem Blick die Erwartung inne, wie Walter Benjamin sagt, "von dem erwidert zu werden, dem er sich schenkt" (I.2, S.646). Das heißt, daß er das Schwein nicht nur als Mittel zum Zweck, nicht nur als Schweinefleischlieferant schätzt, sondern auch gewahr werden will, wie ihm die Welt gefällt. Im Unterschied zum Schwein, dem sein Leiden an seiner Umgebung anzusehen ist und daher abzusehen ist, wie es lieber leben würde, ist bei einem menschlichen Wesen die Erwartung abzusehen, mit dem Menschen, der es anblickt, auch ins Gespräch zu kommen - und in phantasievoller und zugleich rhythmischer Weise zu klären, was ihnen an Lebenserfahrung gemein ist und wie sich ihre unterschiedlichen Erfahrungen miteinander vermitteln lassen: zu einem neuen, einem gemeinsamen Anfang, in dessen Natur es liegt, "daß er", wie Hannah Arendt schreibt, "von dem Gewesenen und Geschehenen her gesehen, schlechterdings unerwartet und unerrechenbar in die Welt bricht" und in diesem Bruch mit dem Gewohnten "die spezifisch menschliche Pluralität (realisiert), die darin besteht, daß Wesen von einzigartiger Verschiedenheit sich von Anfang bis Ende immer in einer Umgebung von ihresgleichen befinden" (Vita activa. München 1981, S.166f.).

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